Dienstag, 1. November 2016

Der November 2016

Schweigeminute
Das ist der Titel des Films, der gestern (31. Okt) im ZDF lief. Die Verfilmung des gleichnamigen Buches von Siegfried Lenz. Es geht um eine Liebesgeschichte zwischen dem 18-jährigen Schüler Christian und seiner Englischlehrerin Stella.
Gefallen hat mir an der Geschichte, dass es nicht um unschuldige Liebe gegen böse Umgebung geht. Die Eltern haben Verständnis, die Mitschüler spotten, die Lehrerkollegen mahnen. Das ganze hätte sogar Potential zum Happy-End. Aber – und das hat mir weniger gefallen – sind Happy-Ends halt nichts für hohe Literatur und es braucht ein tragisches Ende. Stella verunfallt beim Segeln tödlich und Christian verliert seine erste grosse Liebe.
Viel wichtiger als die Geschichte, ohne dessen Umstand ich den Film gar nicht geschaut hätte, ist, dass er vorwiegend auf Bornholm gedreht wurde. Meist im Hafen von Sandvig, dem Nachbarort von Gudhjem, wo ich schon vier Mal in den Ferien war. Die Geschichte spielt zwar in Deutschland, aber ein Dorf, das sich seit den sechziger Jahre kaum verändert hatte, fand das Filmteam eben hier.
Ich schaue nur noch selten Spielfilme und bin manchmal ganz froh, einen Grund zu haben.

2 Mittwoch
Ist der Weg da Ziel? Oder doch das Ziel? Vielleicht auch beides…
Das Ziel selbst war heute klar, es lag an der Aare.
 Den Weg dorthin habe ich mir aber etwas aussergewöhnlich gestaltet. Nach Bern auf dem direkten Weg, dann aber mit dem Postauto via Meikirch nach Lyss. Eine Strecke, die ich während der Berner Zeit sicher hundertmal mit dem Auto gemacht habe. Als Postautopassagier hatte ich nun die Musse, die Landschaft anzuschauen. Am interessantesten waren jene Streckenabschnitte, wo das Postauto die Hauptstrasse verlässt und eine Extra-Schleife durch ein Dorf fährt. Nach einer knappen Stunde war ich in Lyss, bestieg den Zug nach Büren und dort den Bus (diesmal von der RBS) nach Solothurn.
Nach Solothurn – mal zu einer Sitzung, mal zum Schach spielen und, jedes Jahr, zur Biermesse – aber einfach als Tourist? Das kommt kaum vor. Diesmal aber ja und ich schaute mir erstmals an, was jeder Tourist anschauen muss.

Genau, die St. Ursen Kathedrale! Dort wo einst ein Geisteskranker den Altar anzündete und wo der protestantische Bundesrat Willy Ritschard eine Totenmesse erhielt.
Ich gehe übrigens nie im Mittelgang durch Kirchen (fast nie), sondern rund herum. Die Seitenkapellen sind häufig interessanter, als das Mittelschiff und die schräge Perspektive reizvoller, als die Symmetrie.
Auch auf dem Rückweg leistete ich mir ein Extra. Mit dem Bus nach Herzogenbuchsee und ab dort auf dem üblichen Wege mir dem Zug nach Hause.

23 Mittwoch
Natürlich nicht, wie sollte Europa auch scheitern, denn Europa ist eine Landmasse, ein Kontinent, resp. der Teil des Kontinentes Eurasien westlich des Urals. Aber so wie fast alle Amerika sagen, wenn sie die USA meinen, sagen mittlerweile auch fast alle Europa, wenn die EU, ein wirtschaftlich-politischer Verein, gemeint ist.
Aber natürlich geht es um das Buch „Was, wenn Europa scheitert“ von Geert Mak. Es wurde 2012 veröffentlicht und kennt noch keine Flüchtlingskrise und noch keinen Kommissionspräsidenten Juncker. Das Buch aber trotzdem noch aktuell.
Der Autor beantwortet die Titelfrage nicht direkt, sondern beschreibt die Probleme der EU, die uns auch bestens bekannt sind. Neben der Bürgerferne und dem Demokratiedefizit, richtet er den Blick auf jenen Teil der Wirtschaft, der nach seiner Meinung einen zerstörerischen Einfluss ausübt: die Finanzwirtschaft. Sie gängle die Politik, anstatt das die Politik sie kontrolliere.
Die Einführung des Euro hält er für einen Fehler und denkt, dass dieser auch wieder verschwinden könnte. Aber er hat ein schönes Bild für solche Momente: Europa (also die EU) ist eine Kathedrale mit vielen Seitenschiffen. Wenn eines davon wegen eines Konstruktionsfehlers zusammenfällt, bleibt die Kathedrale doch in ihrem Fundament erhalten und erfüllt ihren Zweck weiter. Europa (und diesmal wirklich Europa) finde sowieso nicht in Politik und Verträgen statt, sondern in den Adressbüchern der Menschen Europas. Dort wo die Telefonnummern, die Post- und Mailadressen der Freunde auf dem ganzen Kontinent notiert sind.

25 Freitag
Anstatt mit dem Abstimmungssonntag beschäftige ich mich noch einmal mit dem letzten Weihnachtsessen. Serviert wurde in der Form eine „Tavolata“. D.h., die Komponenten jeden Ganges kamen in kleinen Platten auf den Tisch und die Teilnehmer des Essens konnten sich die Sachen auf den eigenen Teller schöpfen und die Platte weiterreichen. So sah die Vorspeise aus:
 Tintenfischcarpaccio, Vitello tonnato, grilliertes Gemüse und hauchdünn geschnittener Schinken und Mortadella. Meerfrüchtesalat und Oliven waren auch noch dabei. So füllte ich mir den ersten Teller.
Als erster Gang kamen Pasta mit Pesto, Crevetten-Risotto und Steinpilzravioli. Letztere waren besonders gut. Den zweiten Gang zeige ich, wie er bereits auf meinem Teller war:
Loup de Mer, Rinds- und Kalbsschnitzerl, Pepperonata und Risotto. Salat und Kartoffeln kamen später. Aber weil der Geschäftführer euphorisch noch Fleisch nachbestellte, „musste“ ich noch zwei weitere Schnitzelchen vernichten.
Aus Zeitgründen musste ich aufs Dessert verzichten, aber, um ehrlich zu sein, mein Magen hätte wohl auch rebelliert.


29 Dienstag
 Nach dem Essen mit A. gönnte ich mir noch einen Spaziergang durch und um meinen ehemaligen Wohnort Ostermundigen bis auf den Ostermundigenberg. Während der drei Jahre, die ich hier lebte, habe ich das nie geschafft. Darum wusste ich auch nichts davon, dass sich hier ein Grabstein befindet.
Es ist zwar nicht das Grab, des einstigen Berner Oberförsters Karl Kasthofer (1777-1853), denn dieses ist unbekannt, aber der Grabstein, der 1992 bei Bauarbeiten im Monbijou gefunden wurde. Hier, quasi mitten in seinem Revier, hat man ihm eine Gedenkstätte eingerichtet.
Hier ein Lexikoneintrag zu Karl Kasthofer.