Schweigeminute
Das ist der Titel des Films, der gestern (31. Okt) im ZDF lief. Die
Verfilmung des gleichnamigen Buches von Siegfried Lenz. Es geht um eine
Liebesgeschichte zwischen dem 18-jährigen Schüler Christian und seiner
Englischlehrerin Stella.
Gefallen hat mir an der Geschichte, dass es nicht um unschuldige Liebe
gegen böse Umgebung geht. Die Eltern haben Verständnis, die Mitschüler
spotten, die Lehrerkollegen mahnen. Das ganze hätte sogar Potential zum
Happy-End. Aber – und das hat mir weniger gefallen – sind Happy-Ends
halt nichts für hohe Literatur und es braucht ein tragisches Ende.
Stella verunfallt beim Segeln tödlich und Christian verliert seine erste
grosse Liebe.
Viel wichtiger als die Geschichte, ohne dessen Umstand ich den Film gar
nicht geschaut hätte, ist, dass er vorwiegend auf Bornholm gedreht
wurde. Meist im Hafen von Sandvig, dem Nachbarort von Gudhjem, wo ich
schon vier Mal in den Ferien war. Die Geschichte spielt zwar in
Deutschland, aber ein Dorf, das sich seit den sechziger Jahre kaum
verändert hatte, fand das Filmteam eben hier.
Ich schaue nur noch selten Spielfilme und bin manchmal ganz froh, einen Grund zu haben.
2 Mittwoch
Ist der Weg da Ziel? Oder doch das Ziel? Vielleicht auch beides…
Das Ziel selbst war heute klar, es lag an der Aare.
Den Weg dorthin habe ich mir aber etwas aussergewöhnlich gestaltet. Nach
Bern auf dem direkten Weg, dann aber mit dem Postauto via Meikirch nach
Lyss. Eine Strecke, die ich während der Berner Zeit sicher hundertmal
mit dem Auto gemacht habe. Als Postautopassagier hatte ich nun die
Musse, die Landschaft anzuschauen. Am interessantesten waren jene
Streckenabschnitte, wo das Postauto die Hauptstrasse verlässt und eine
Extra-Schleife durch ein Dorf fährt. Nach einer knappen Stunde war ich
in Lyss, bestieg den Zug nach Büren und dort den Bus (diesmal von der
RBS) nach Solothurn.
Nach Solothurn – mal zu einer Sitzung, mal zum Schach spielen und, jedes
Jahr, zur Biermesse – aber einfach als Tourist? Das kommt kaum vor.
Diesmal aber ja und ich schaute mir erstmals an, was jeder Tourist
anschauen muss.
Genau, die St. Ursen Kathedrale!
Dort wo einst ein Geisteskranker den Altar anzündete und wo der
protestantische Bundesrat Willy Ritschard eine Totenmesse erhielt.
Ich gehe übrigens nie im Mittelgang durch Kirchen (fast nie), sondern
rund herum. Die Seitenkapellen sind häufig interessanter, als das
Mittelschiff und die schräge Perspektive reizvoller, als die Symmetrie.
Auch auf dem Rückweg leistete ich mir ein Extra. Mit dem Bus nach
Herzogenbuchsee und ab dort auf dem üblichen Wege mir dem Zug nach
Hause.
23 Mittwoch
Natürlich nicht, wie sollte Europa auch scheitern, denn Europa ist eine
Landmasse, ein Kontinent, resp. der Teil des Kontinentes Eurasien
westlich des Urals. Aber so wie fast alle Amerika sagen, wenn sie die
USA meinen, sagen mittlerweile auch fast alle Europa, wenn die EU, ein
wirtschaftlich-politischer Verein, gemeint ist.
Aber natürlich geht es um das Buch „Was, wenn Europa scheitert“ von
Geert Mak. Es wurde 2012 veröffentlicht und kennt noch keine
Flüchtlingskrise und noch keinen Kommissionspräsidenten Juncker. Das
Buch aber trotzdem noch aktuell.
Der Autor beantwortet die Titelfrage nicht direkt, sondern beschreibt
die Probleme der EU, die uns auch bestens bekannt sind. Neben der
Bürgerferne und dem Demokratiedefizit, richtet er den Blick auf jenen
Teil der Wirtschaft, der nach seiner Meinung einen zerstörerischen
Einfluss ausübt: die Finanzwirtschaft. Sie gängle die Politik, anstatt
das die Politik sie kontrolliere.
Die Einführung des Euro hält er für einen Fehler und denkt, dass dieser
auch wieder verschwinden könnte. Aber er hat ein schönes Bild für solche
Momente: Europa (also die EU) ist eine Kathedrale mit vielen
Seitenschiffen. Wenn eines davon wegen eines Konstruktionsfehlers
zusammenfällt, bleibt die Kathedrale doch in ihrem Fundament erhalten
und erfüllt ihren Zweck weiter. Europa (und diesmal wirklich Europa)
finde sowieso nicht in Politik und Verträgen statt, sondern in den
Adressbüchern der Menschen Europas. Dort wo die Telefonnummern, die
Post- und Mailadressen der Freunde auf dem ganzen Kontinent notiert
sind.
25 Freitag
Anstatt mit dem Abstimmungssonntag beschäftige ich mich noch einmal mit
dem letzten Weihnachtsessen. Serviert wurde in der Form eine „Tavolata“.
D.h., die Komponenten jeden Ganges kamen in kleinen Platten auf den
Tisch und die Teilnehmer des Essens konnten sich die Sachen auf den
eigenen Teller schöpfen und die Platte weiterreichen. So sah die
Vorspeise aus:
Tintenfischcarpaccio, Vitello tonnato, grilliertes Gemüse und hauchdünn
geschnittener Schinken und Mortadella. Meerfrüchtesalat und Oliven waren
auch noch dabei. So füllte ich mir den ersten Teller.
Als erster Gang kamen Pasta mit Pesto, Crevetten-Risotto und
Steinpilzravioli. Letztere waren besonders gut. Den zweiten Gang zeige
ich, wie er bereits auf meinem Teller war:
Loup de Mer, Rinds- und Kalbsschnitzerl, Pepperonata und Risotto. Salat
und Kartoffeln kamen später. Aber weil der Geschäftführer euphorisch
noch Fleisch nachbestellte, „musste“ ich noch zwei weitere Schnitzelchen
vernichten.
Aus Zeitgründen musste ich aufs Dessert verzichten, aber, um ehrlich zu sein, mein Magen hätte wohl auch rebelliert.
29 Dienstag
Nach dem Essen mit A. gönnte ich mir noch einen Spaziergang durch und um
meinen ehemaligen Wohnort Ostermundigen bis auf den Ostermundigenberg.
Während der drei Jahre, die ich hier lebte, habe ich das nie geschafft.
Darum wusste ich auch nichts davon, dass sich hier ein Grabstein
befindet.
Es ist zwar nicht das Grab, des einstigen Berner Oberförsters Karl
Kasthofer (1777-1853), denn dieses ist unbekannt, aber der Grabstein,
der 1992 bei Bauarbeiten im Monbijou gefunden wurde. Hier, quasi mitten
in seinem Revier, hat man ihm eine Gedenkstätte eingerichtet.
Hier ein Lexikoneintrag zu Karl Kasthofer.
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