2 Sonntag
Am Samstag habe ich das Haus u.a. mit dem Vorsatz verlassen, noch ein
paar schöne Bilder zu machen. Hätte ich aber nicht nach den ersten paar
Kurven fast ein Vollbremsung hingelegt, um dieses Bild zu machen, hätte
ich nicht einmal dies:
Ein Tag im Ballon wäre natürlich auch sehr schön gewesen. Ich fuhr
aber nach Bern um einen Berg zu besteigen. Den immerhin 665m hohen
Könizberg, wo ich auch noch nie war.
Danach ging ich auf den Bundesplatz, wo eine Demo gegen die
Ecopop-Initiative stattfand. Man wolle, so sagten die Veranstalter, sich
diesmal vor der Abstimmung engagieren und nicht erst danach wie bei der
Masseneinwanderungsinitiative. Das tönt bereits etwas pessimistisch. Es
ist tatsächlich so, dass es zwar viele Argumente gegen die Initiative
gibt, aber auch viel mit Horrorszenarien operiert wird, die niemand mehr
ernst nimmt.
Die Demo dürfte auch kaum einen Einfluss auf die Abstimmung haben, denn
es trafen sich doch nur noch jene, die einer Meinung sind ums sich
gegenseitig zu bestätigen und zu produzieren.
Witzigerweise hat das linke Nachrichtenportal Infosperber ein wenig
Spielverderber gespielt und die Gegner der Initiative auseinander
genommen. Gleichzeitig erschien dort aber auch der Gegenartikel, der
mich am meisten überzeugt, trotz sehr sarkastischem Anfang.
5 Mittwoch
Nicht nur Halloween sondern auch der Brauerstamm könnte unter diesem
Motto stehen. Ersteres kommt hoffentlich nie in meine Nähe – bei
letzterem bin ich hingegen fast jeden Monat dabei. Da zeigen die Thuner
Heimbrauer wieder, was sie ausgeheckt haben.
Natürlich alles andere als „Switzerland’s next Feldschlösschen“. Je
spezieller, je geschmackvoller, desto besser. Ein diskret gewürztes
Weihnachtsbier (vom einen Jürg), ein caramelliges Rauchbier (vom anderen
Jürg) und ein Framboise (von Bruno) hatten es mir besonders angetan.
Letzteres war sehr aufwendig, erzählte Bruno. Erst ein halbes Jahr
reifen lassen, dann ein weiteres halbes Jahr frische Himbeeren einlegen.
Das Resultat ist ein Himbeerbier, das schmeckt, als würde man sich
tatsächlich eine frische Himbeere mit einem Schluck Bier über die Zunge
gehen lassen.
Es gibt aber auch anderes. Die Brüder Samuel und Tobi sind auf saure
Sachen spezialisiert. Letztes Mal präsentierten sie ein Bier, sauer wie
Limettensaft, welches mir gut schmeckte. Diesmal gaben sie uns aber
richtig Saures: ein Bier, angeblich nach einem finnischen Rezept, das
kaum Beifall fand. Wenn die Finnen das wirklich trinken, dann waren sie
vorher sicher zwei Stunden in der Sauna.
12 Dienstag
Am Montag Abend war ich bei einer Führung durch das Bundeshausstudio
des Schweizer Fernsehens. Das Medienzentrum gleich vis-à-vis des
Bundenshauses hat ein beachtliches Innenleben. Im 4. Untergeschoss
befindet sich das TV-Studio in dem u.a. die Sendung „classe politique“
gesendet wird und zwar je eine pro Landessprache. Gleich daneben
befindet sich der Saal für die Pressekonferenzen, der wir ein Hörsaal an
der Uni aussieht – nur eben mit Kameras. Und Kameras hat es auch in den
Parlamentssälen. Eine Bildregie dient nur dazu, das Geschehen in den
beiden Sälen im Internet zu übertragen und für’s Archiv anzulegen.
Da gibt es auch noch ein kleines Studio mit einem Stehpult, einer Kamera
und einer blauen Wand. Dort steht jeweils der Bundeshauskorrespondent,
wenn er life zugeschaltet wird und hinter ihm der Bundesplatz zu sehen
ist. Dieses Bild kommt von einer Fixkamera, die beim Restaurant Federal
montiert ist.
Auf diesem nicht allzugut gelungenen Bild des grossen Regieraumes
kann man auf je einem Monitor links und rechts dieses Life-Bild des
Bundesplatzes sehen.
Am Schluss konnte die Besuchergruppe – alles Mitglieder der
SRG-Regionalgenossenschaft Bern – dem TV-Journalisten Urs Wiedmer (u.a.
ehemaliger Arena-Moderator) Fragen stellen.
15 Samstag
Als ich bei der NSB angestellt wurde, habe ich mir keine Gedanken
gemacht, ob ich hinter dem Geschäftsmodell eines Buchclubs stehen
könnte. Ich war einfach froh, wieder ein Einkommen zu haben. Sicher, die
Bezugsverpflichtung ist ein zweischneidiges Schwert. Manche sahen nur
das günstige Einstiegsangebot und fühlten sich betrogen, als sie
merkten, dass sie alle zwei Monate ein Buch kaufen mussten. Umgekehrt
kann dieser sanfte Zwang, regelmässig sich um ein interessantes Buch zu
bemühen, doch nützlich sein.
Unser Angebot ist auch ziemlich breit: Thriller, Historienschinken,
Komik, Kinderbücher, Lebenshilfe und auch CDs, DVDs und
Deko-Gegenstände. Aber was mach ich Werbung – wir schliessen ja in einem
Jahr.
Gelegentlich ärgere ich mich schon ab und zu über gewisse Bücher in
unserem Angebot. Klar, sage ich mir dann, der Wurm muss dem Fisch
schmecken, nicht dem Angler (Hemut Thoma, ex RTL-Chef). Zwei Drittel
unserer Fische sind weiblich und denen schmecken unter anderem Romane
und Lebenshilfebücher.
Romane über dumme Männer und Bücher über abstruse Ernährungstheorien.
Zu ersteren gehört auch die Vollidioten-Serie von Tommy Jaud
(sinnvollerweise mit Oliver Pocher verfilmt), die ich mir auch angetan
habe. Man muss schliesslich wissen, was man so verkauft. Sind unsere
Kundinnen wirklich so frustriert von ihrem Frauenleben, dass sie sich
mit solchen Geschichten abreagieren müssen? Ich weiss es nicht.
Der Wunsch nach Gesundheit und einer guten Figur ist natürlich immer da –
auch bei Männern, auch bei mir – und so schiessen die
Ernährungsratgeber überall schneller und dichter hervor, als die
Kräuter, die sie propagieren oder verurteilen. Nachdem bereits Fett,
Zucker, Fleisch und Lactose gekreuzigt und gesteinigt sind, kommt jetzt
also das Gluten und der Weizen dran.
Weil Weizen erst seit ein paar tausend Jahren konsumiert wird, soll er
an allen Zivilisationskrankheiten schuld sein. Was nicht einmal falsch
ist, denn Getreide wie Weizen, Mais und Reis machten die sesshafte
Zivilisation erst möglich.
Eine Radikaldiät mehr, die ebenso schnell verschwinden wird, wie sie
gekommen ist. So kann ich unseren Kundinnen nur empfehlen: Kauft das
Buch (das ist gut für unseren Umsatz), lest es und vergesst es (das ist
gut für eure Gesundheit).
Hier noch ein Artikel zu Dumm wie Brot.
17 Montag
Für den Weg von der Station Worblaufen zu meinem Arbeitsplatz gibt es
verschiedene Varianten. Nicht der direkteste, aber sicher der
originellste führt über diese Treppe.
Diese Konstruktion vereinigt Treppe und Rampe. Leider habe ich bis
jetzt noch nie jemand mit dem Kinderwagen oder gar mit Rollschuhen
runterkurven sehen.
Die Treppe hat auch einen Namen – sie ist Marthe Gosteli gewidmet, einer
Repräsentantin der Schweizerischen Frauenbewegung, die auch ein Archiv
über diese gestiftet hat. Dieses befindet sich auf diesem Hügel in
Worblaufen.
Mehr zu diesem Archiv hier.
23 Sonntag
Letzten Freitag trafen A. und ich uns zu unserem Weihnachtsessen.
Nachdem uns die Eisblume in Worb etwas zu überkandidelt worden ist,
haben wir uns eher währschaften Beizen zu gewandt. Diesmal dem Bären in
Münsingen. Das Restaurant hat erst seit kurzem einen neuen Wirt und ich
habe schon einiges Gutes darüber gehört. Auch A. war schon einmal dort
und zufrieden.
A. bestellte Rindssteak, ich Schweinefilet und dazu tranken wir den
portugiesischen Hauswein. Letzteres weist darauf hin, dass der Wirt
portugiesische Wurzeln hat. Es ist eine Fleischküche: Ich hatte
lediglich Nüdeli als Beilage, A. Croquettes und Gemüse, aber auch davon
nicht viel. Ich will das aber nicht kritisieren, denn nicht selten ist
es eher umgekehrt.
Beim Dessert blieben wir der iberischen Halbinsel treu:
Eine Crema Catalana. Fein, aber etwas zu zitronig, um doch noch etwas
zu kritisieren. Aber nur dieses wenige – im Bären Münsingen isst man
gut.
Schon bald geht es weiter mit Weihnachtsessen in der Brasserie
Bärengraben. Dort wird es für mich genau gleich beginnen, wie schon
hier: mit Nüsslersalat.
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