1 Donnerstag
Jetzt haben wir also Donnerstag, 1. September. Das hätte anders kommen
können: Dem römischen Kaiser Tiberius wurde einst angeboten, diesen
Monat nach ihm zu benennen, wie man es schon für (Gaius) Julius und
Augustus gemacht hatte. Er hat dankend abgelehnt, wohl auch mit der
Erkenntnis, dass spätenstens beim Dreizehnten zu Ehrenden Probleme
auftauchen würden. So behielten also Sept-, Okt-, Nov- und Dezember ihre
Namen, auch wenn die Nummerierung heute nicht mehr stimmt.
5 Montag
Vor Zehn Jahren eröffnete eine kleine Beiz an der Berner Herzogstrasse
im Breitenrainquartier. Die Beiz nannte sich „Vetter Herzog“ nach dem
General, nach dem die Strasse benannt ist. Schon bald wurden A. und ich
Stammgäste dort. Fast jede Woche einmal assen wir dort zu Mittag.
Auch
ein gutes Bier war immer Teil des Mittagessens. Erst Wabräu, später das
Amber von BFM. Auch Flaschenbier wie Staropramen oder das Weizenbier
von Aare-Bier genossen wir ab und zu.
Noch nicht jetzt, aber schon bald muss ich in der Vergangenheitsform
über „Vetter Herzog“ schreiben, denn sie haben angekündigt per Ende
Oktober zu schliessen. Traurig aber wahr. Felix, der Wirt, macht keine
Geheimnis daraus: der Vetter schreibt seit einiger Zeit Verluste und es
besteht keine Hoffnung wieder auf den Gewinnpfad zu kommen. Die
Konkurrenz rund um den Breitenrainplatz hat zugenommen, wobei Felix und
sein Compagnon Marco durchaus „mitschuldig“ sind, haben sie doch beim
Aufbau der Brauereibeiz „Barbière“ mitgearbeitet und tun es immer noch.
So werden die beiden Familienväter nicht arbeitslos.
8 Donnerstag
Endlich habe ich mir den höchsten Gipfel im eigenen Kanton angeschaut.
„Angeschaut“ ist der richtige Begriff, denn als alpiner Gipfel ist das
Finsteraarhorn für mich nicht erreichtbar. Ich kann mich nicht einmal an
seinen Fuss stellen, wie das bei einigen seiner Nachbarn möglich ist.
Von Grindelwald fuhr ich mit dem Bus zum Berghaus Waldspitz. Eine
ziemlich gruselige Fahrt, fährt das Postauto doch während der ganzen
Zeit auf einer einspurigen Strasse. Zu guter Letzt wendet es 100 m vor
dem Ziel und fährt rückwärts hinauf.
Zur Beruhigung, wanderte ich erst ein Stück Richtung First zu einer kleinen Alp, wo ich diese Aussicht genoss.
In der Mitte das Schreckhorn, links von ihm der obere, rechts der untere
Grindelwaldgletscher. Über letzteren könnte ich das Objekt der
Bergierde erreichen, wenn ich denn Gletscherwandern könnte. Aber mir
ging es ja um eine Bild und um dieses zu machen, musste ich wieder
westwärts, dem Strässchen entlang hinunter. Dann endlich, weit hinten,
als würde es sich zieren, ist es sichtbar.
Im Wikipedia Artikel
sieht man es im Panorama vom Nufenenpass aus. Dort ist dann auch
erkennbar, dass es das Höchste ist, während es von Grindelwald wegen der
Entfernung eher hamlos und klein wirkt. Vielleicht schaffe ich es ja
auch mal auf den Nufenen und liefere ein Bild nach.
15 Donnerstag
Vom Diemtigtal aus gesehen ist er noch etwas näher als das
Finsteraarhorn. Und anders als bei letzterem konnte ich ihm relativ nahe
kommen. Wie im letzten Artikel erwähnt, startete ich in Château-d’Oex.
Ich machte eine Wanderung nach Rougemont rund um den Berg La Laitemaire
via den Weiler Ciernes Picat.
Nach einem rassigen Aufstieg von 450m war ich am höchsten Punkt der
Wanderung, an der „Pforte“ zum Naturschutzgebiet zu dem auch der Vanil
Noir gehört.
Vanil, so sagt mir Wikipedia, sei das alt-gallische Wort für Gipfel. Es
gibt tatsächlich noch einen zweiten Vanil, den Vanil Carré in dieser
Bergkette. Aber wo war das Objekt der Begierde, fragte ich mich, als ich
dort stand. Ich war so nahe dran, dass mir die vorgelagerten Hügel die
Sicht nahmen. erst wieder weiter weg und weiter unten sah ich ihn
wieder.
Dafür ist er wieder weit hinten, denn vor ihm ist ein Creux, eine
muldenförmige Hochebene zwischen seinen beiden Bergnachbarn. Darum
besser das Bild vergrössern. Er ist in der Mitte und der einzige in der
Reihe, der richtig spitz ist.
Wenn man an Château-d’Oex
denkt, kommt einem vielleicht das Heissluftballonfestival in den Sinn
oder Ballon, mit dem Bertrand Piccard um die Welt geflogen ist.
18 Sonntag
Es ist schwere Kost. Nicht nur wegen der 760 Seiten, sondern auch inhaltlich. Der Roman erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie in der Schweiz über fünf Generationen von 1871 bis 1945.
Ein Paar in Endingen AG mit einer Tochter und einer Pflegetochter. Die
beiden heiraten, ziehen nach Baden resp. Zürich, werden Eltern und
Grosseltern. Der Letzte in der Reihe, der Urgrossenkel wird Zionist und
wandert nach dem Krieg nach Israel aus. Niemand in der Geschichte heisst
Melnitz. Er ist ein Geist, der die Juden immer wieder an die
Vergangenheit, an die immer wiederkehrenden Judenprogrome erinnert.
Die Figuren sind fiktiv, nicht aber die Orte und die Geschichte darum
herum. So muss man als Leser wohl zur Kenntnis nehmen, dass der
Antisemitismus in der Schweiz, zwar gezügelt, aber nicht weniger schlimm
war, als andeswo. Wäre die Schweiz im zweiten Weltkrieg besetzt worden,
wären die Juden hier genauso verfolgt worden, wie in Deutschland.
Etwas, das man hierzulande wohl noch viel weniger gerne hört, als, dass
es nicht unsere Armee war, die uns vor der Besetzung bewahrt habt,
sondern, dass wir einfach Glück hatten.
22 Donnerstag
Da hat man wieder mal zuviel Zeit und schnüffelt in der Comic-Abteilung
herum. Davon hatte ich kürzlich gelesen – das musste ich haben.
Was
wäre, wenn Marine Le Pen nächstes Jahr zur Präsidentin Frankreichs
gewählt würde? Diese Frage will diese „Graphic Novel“ beantworten. Es
ist quasi die Antwort auf Michel Houellebecqs „Unterwerfung“. Einigen
sich dort die Konservative und Sozialisten auf einen muslimischen
Kandidaten, um Le Pen zu verhindern, bleiben sie hier zerstritten und Le
Pen gewinnt.
Die Autoren haben sich das Programm des Front National vorgenommen und
beschreiben, was in Frankreich passieren könnte, wenn Marine Le Pen
dieses Programm so schnell wie möglich realisieren würde.
Neben allen realen Politikern und Journallisten, gibt es in der
Geschichte noch eine fiktive, zweite Hauptperson: die alte
Widerstandskämpferin Antoinette. Sie lebt mit ihren Enkeln und einer
afrikanischen Studentin zusammen. An ihnen werden die Auswirkungen des
Machtwechsels gezeigt: Fremdenfeindlichkeit, Inflation,
Überwachungsstaat. Letzterer übrigens nicht etwa vom FN, sondern vom
jetzigen Präsidenten Hollande eingerichtet.
Distopien, also negative Utopien, sind gruselig und faszinierend
zugleich. So faszinierend, dass man sich beim Gedanken ertappt, dies
tatsächlich erleben zu wollen. Paradisische Zustände hingegen wären viel
zu langweilig.
25 Sonntag
Dieses Wochenende sind etablierte Parteien und Einzelmasken in Biel zur
Wahl angetreten. Stadtpräsident bleibt Erich Fehr von der SP. Sein Vater
Herrmann wurde damals am Tag meiner Maturfeier gewählt – es gibt also
so etwas wie eine Stadtpräsidenten-Dynastie.
Beim betrachten der Wahlplakate, fiel mir eines auf:
In der Mitte des Bildes scheinbar ein Bieler Wappen, aber nur mir einem
Beil. An Stelle des anderen Beils der Schriftzug der Partei in Form
einer Sichel. Beil und Sichel ? Nein, Hammer und Sichel, kennen wir
doch. Es handelt sich tatsächlich um das Plakat der PdA, der Partei der
Arbeit – der Kommunisten also. Ich bin erstaunt, dass sie es wagen,
diese Symbolik – von der Sowjetunion genügend desavouiert, zu verwenden.
Abgeschreckt hat es die zugeneigten Wähler nicht, sie haben imerhin einen Sitz gemacht.
27 Dienstag
Letzten Samstag war ich auf einer Besichtigung im neuen Flusskraftwerk Hagneck.
Es ist seit einem Jahr in Betrieb und ersetzt das alte Kraftwerk (hinten
im Bild). Das Wasser der Aare wird hier 18 Meter hoch gestaut und läuft
neu durch zwei waagerecht eingebaute Turbinen. Diese, resp. ihre
Umhüllung, konnten wir auch ansehen.
In den blauen Rohren vestecken sie sich. Die gelben Hebel steuern die
Klappen, mit denen der Durchfluss geregelt und auch ganz abgestellt
werden kann. Ob die Anzahl Wasserflaschen wirklich anschaulicher ist,
oder ob 27 Millionen Kubikmeter nicht auch beeindruckend genug wären,
sei dahingestellt.
Der verwendete Beton der ganzen Anlage ist gelb-beige gefärbt und hat so
die Farbe des Jurakalks, der auch die unterhalb aufgeschichteten Inseln
bildet. Wenn Pionierpflanzen diese Inseln besiedelt haben, soll sich
dort ein Vogelparadies bilden, hofft man. Auch der Schiffshafen
unterhalb des alten Kraftwerkes wurde aufgeschüttet. Ganz verlanden soll
er aber nicht, weshalb man noch eine alte Turbine, quasi im
Mueseumsmodus, laufen lässt, so dass auch dort weiter Wasser fliesst.
Noch ein Vergleich zum Nachdenken: Hagneck produziert zehn Mal soviel
Strom, wie eine Solaranlage bei besten Bedingungen, wie sie auf dem
Wankdorfstadion ist, aber zehn Mal weniger, als ein AKW.
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