Donnerstag, 1. September 2016

Der September 2016

1 Donnerstag
Jetzt haben wir also Donnerstag, 1. September. Das hätte anders kommen können: Dem römischen Kaiser Tiberius wurde einst angeboten, diesen Monat nach ihm zu benennen, wie man es schon für (Gaius) Julius und Augustus gemacht hatte. Er hat dankend abgelehnt, wohl auch mit der Erkenntnis, dass spätenstens beim Dreizehnten zu Ehrenden Probleme auftauchen würden. So behielten also Sept-, Okt-, Nov- und Dezember ihre Namen, auch wenn die Nummerierung heute nicht mehr stimmt.

5 Montag
Vor Zehn Jahren eröffnete eine kleine Beiz an der Berner Herzogstrasse im Breitenrainquartier. Die Beiz nannte sich „Vetter Herzog“ nach dem General, nach dem die Strasse benannt ist. Schon bald wurden A. und ich Stammgäste dort. Fast jede Woche einmal assen wir dort zu Mittag.
Auch ein gutes Bier war immer Teil des Mittagessens. Erst Wabräu, später das Amber von BFM. Auch Flaschenbier wie Staropramen oder das Weizenbier von Aare-Bier genossen wir ab und zu.
Noch nicht jetzt, aber schon bald muss ich in der Vergangenheitsform über „Vetter Herzog“ schreiben, denn sie haben angekündigt per Ende Oktober zu schliessen. Traurig aber wahr. Felix, der Wirt, macht keine Geheimnis daraus: der Vetter schreibt seit einiger Zeit Verluste und es besteht keine Hoffnung wieder auf den Gewinnpfad zu kommen. Die Konkurrenz rund um den Breitenrainplatz hat zugenommen, wobei Felix und sein Compagnon Marco durchaus „mitschuldig“ sind, haben sie doch beim Aufbau der Brauereibeiz „Barbière“ mitgearbeitet und tun es immer noch. So werden die beiden Familienväter nicht arbeitslos.

8 Donnerstag
Endlich habe ich mir den höchsten Gipfel im eigenen Kanton angeschaut. „Angeschaut“ ist der richtige Begriff, denn als alpiner Gipfel ist das Finsteraarhorn für mich nicht erreichtbar. Ich kann mich nicht einmal an seinen Fuss stellen, wie das bei einigen seiner Nachbarn möglich ist.
Von Grindelwald fuhr ich mit dem Bus zum Berghaus Waldspitz. Eine ziemlich gruselige Fahrt, fährt das Postauto doch während der ganzen Zeit auf einer einspurigen Strasse. Zu guter Letzt wendet es 100 m vor dem Ziel und fährt rückwärts hinauf.
Zur Beruhigung, wanderte ich erst ein Stück Richtung First zu einer kleinen Alp, wo ich diese Aussicht genoss.
 In der Mitte das Schreckhorn, links von ihm der obere, rechts der untere Grindelwaldgletscher. Über letzteren könnte ich das Objekt der Bergierde erreichen, wenn ich denn Gletscherwandern könnte. Aber mir ging es ja um eine Bild und um dieses zu machen, musste ich wieder westwärts, dem Strässchen entlang hinunter. Dann endlich, weit hinten, als würde es sich zieren, ist es sichtbar.
Im Wikipedia Artikel sieht man es im Panorama vom Nufenenpass aus. Dort ist dann auch erkennbar, dass es das Höchste ist, während es von Grindelwald wegen der Entfernung eher hamlos und klein wirkt. Vielleicht schaffe ich es ja auch mal auf den Nufenen und liefere ein Bild nach.

15 Donnerstag
Vom Diemtigtal aus gesehen ist er noch etwas näher als das Finsteraarhorn. Und anders als bei letzterem konnte ich ihm relativ nahe kommen. Wie im letzten Artikel erwähnt, startete ich in Château-d’Oex. Ich machte eine Wanderung nach Rougemont rund um den Berg La Laitemaire via den Weiler Ciernes Picat.
Nach einem rassigen Aufstieg von 450m war ich am höchsten Punkt der Wanderung, an der „Pforte“ zum Naturschutzgebiet zu dem auch der Vanil Noir gehört.
Vanil, so sagt mir Wikipedia, sei das alt-gallische Wort für Gipfel. Es gibt tatsächlich noch einen zweiten Vanil, den Vanil Carré in dieser Bergkette. Aber wo war das Objekt der Begierde, fragte ich mich, als ich dort stand. Ich war so nahe dran, dass mir die vorgelagerten Hügel die Sicht nahmen. erst wieder weiter weg und weiter unten sah ich ihn wieder.
Dafür ist er wieder weit hinten, denn vor ihm ist ein Creux, eine muldenförmige Hochebene zwischen seinen beiden Bergnachbarn. Darum besser das Bild vergrössern. Er ist in der Mitte und der einzige in der Reihe, der richtig spitz ist.
Wenn man an Château-d’Oex denkt, kommt einem vielleicht das Heissluftballonfestival in den Sinn oder Ballon, mit dem Bertrand Piccard um die Welt geflogen ist.


18 Sonntag
Es ist schwere Kost. Nicht nur wegen der 760 Seiten, sondern auch inhaltlich. Der Roman erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie in der Schweiz über fünf Generationen von 1871 bis 1945.
Ein Paar in Endingen AG mit einer Tochter und einer Pflegetochter. Die beiden heiraten, ziehen nach Baden resp. Zürich, werden Eltern und Grosseltern. Der Letzte in der Reihe, der Urgrossenkel wird Zionist und wandert nach dem Krieg nach Israel aus. Niemand in der Geschichte heisst Melnitz. Er ist ein Geist, der die Juden immer wieder an die Vergangenheit, an die immer wiederkehrenden Judenprogrome erinnert.
Die Figuren sind fiktiv, nicht aber die Orte und die Geschichte darum herum. So muss man als Leser wohl zur Kenntnis nehmen, dass der Antisemitismus in der Schweiz, zwar gezügelt, aber nicht weniger schlimm war, als andeswo. Wäre die Schweiz im zweiten Weltkrieg besetzt worden, wären die Juden hier genauso verfolgt worden, wie in Deutschland. Etwas, das man hierzulande wohl noch viel weniger gerne hört, als, dass es nicht unsere Armee war, die uns vor der Besetzung bewahrt habt, sondern, dass wir einfach Glück hatten.


22 Donnerstag
Da hat man wieder mal zuviel Zeit und schnüffelt in der Comic-Abteilung herum. Davon hatte ich kürzlich gelesen – das musste ich haben.
Was wäre, wenn Marine Le Pen nächstes Jahr zur Präsidentin Frankreichs gewählt würde? Diese Frage will diese „Graphic Novel“ beantworten. Es ist quasi die Antwort auf Michel Houellebecqs „Unterwerfung“. Einigen sich dort die Konservative und Sozialisten auf einen muslimischen Kandidaten, um Le Pen zu verhindern, bleiben sie hier zerstritten und Le Pen gewinnt.
Die Autoren haben sich das Programm des Front National vorgenommen und beschreiben, was in Frankreich passieren könnte, wenn Marine Le Pen dieses Programm so schnell wie möglich realisieren würde.
Neben allen realen Politikern und Journallisten, gibt es in der Geschichte noch eine fiktive, zweite Hauptperson: die alte Widerstandskämpferin Antoinette. Sie lebt mit ihren Enkeln und einer afrikanischen Studentin zusammen. An ihnen werden die Auswirkungen des Machtwechsels gezeigt: Fremdenfeindlichkeit, Inflation, Überwachungsstaat. Letzterer übrigens nicht etwa vom FN, sondern vom jetzigen Präsidenten Hollande eingerichtet.
Distopien, also negative Utopien, sind gruselig und faszinierend zugleich. So faszinierend, dass man sich beim Gedanken ertappt, dies tatsächlich erleben zu wollen. Paradisische Zustände hingegen wären viel zu langweilig.

25 Sonntag
Dieses Wochenende sind etablierte Parteien und Einzelmasken in Biel zur Wahl angetreten. Stadtpräsident bleibt Erich Fehr von der SP. Sein Vater Herrmann wurde damals am Tag meiner Maturfeier gewählt – es gibt also so etwas wie eine Stadtpräsidenten-Dynastie.
Beim betrachten der Wahlplakate, fiel mir eines auf:
In der Mitte des Bildes scheinbar ein Bieler Wappen, aber nur mir einem Beil. An Stelle des anderen Beils der Schriftzug der Partei in Form einer Sichel. Beil und Sichel ? Nein, Hammer und Sichel, kennen wir doch. Es handelt sich tatsächlich um das Plakat der PdA, der Partei der Arbeit – der Kommunisten also. Ich bin erstaunt, dass sie es wagen, diese Symbolik – von der Sowjetunion genügend desavouiert, zu verwenden.
Abgeschreckt hat es die zugeneigten Wähler nicht, sie haben imerhin einen Sitz gemacht.

27 Dienstag
Letzten Samstag war ich auf einer Besichtigung im neuen Flusskraftwerk Hagneck.
Es ist seit einem Jahr in Betrieb und ersetzt das alte Kraftwerk (hinten im Bild). Das Wasser der Aare wird hier 18 Meter hoch gestaut und läuft neu durch zwei waagerecht eingebaute Turbinen. Diese, resp. ihre Umhüllung, konnten wir auch ansehen.
In den blauen Rohren vestecken sie sich. Die gelben Hebel steuern die Klappen, mit denen der Durchfluss geregelt und auch ganz abgestellt werden kann. Ob die Anzahl Wasserflaschen wirklich anschaulicher ist, oder ob 27 Millionen Kubikmeter nicht auch beeindruckend genug wären, sei dahingestellt.
Der verwendete Beton der ganzen Anlage ist gelb-beige gefärbt und hat so die Farbe des Jurakalks, der auch die unterhalb aufgeschichteten Inseln bildet. Wenn Pionierpflanzen diese Inseln besiedelt haben, soll sich dort ein Vogelparadies bilden, hofft man. Auch der Schiffshafen unterhalb des alten Kraftwerkes wurde aufgeschüttet. Ganz verlanden soll er aber nicht, weshalb man noch eine alte Turbine, quasi im Mueseumsmodus, laufen lässt, so dass auch dort weiter Wasser fliesst.
Noch ein Vergleich zum Nachdenken: Hagneck produziert zehn Mal soviel Strom, wie eine Solaranlage bei besten Bedingungen, wie sie auf dem Wankdorfstadion ist, aber zehn Mal weniger, als ein AKW.




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