Samstag, 24. Oktober 2009

Kommunizieren wir uns zu Tode?

Der Titel ist natürlich eine Anspielung auf Titus' Artikel, der wiederum Neil Postmans Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" zum Vorbild hat. Dieser Artikel, oder eigentlich vor allem der Titel, hat mich angeregt, nachzudenken, ob ich mich eventuell kommunizierend zu Tode amüsiere oder ähnlich. "Ich", wohlverstanden, denn was "wir" tun oder lassen, mag ich nicht beurteilen. Ich habe schliesslich nicht jeden gefragt, nicht einmal eine repräsentative Auswahl, soweit es die gibt. Ein gewisses Laubbläserhappening könnte dem einen oder anderen (z.B. dieser Artikel von Bruder Bernhard oder diese Diskussion, die Ray geführt hat) beweisen, dass die moderne Kommunikationskultur - genannt 2.0 - in leeres Amüsement ausartet.
Aber zurück zu jenem Kommunikationsverhalten, das ich am besten kenne, meinem eigenen. Ich bin kein besonders gesprächiger Typ. Gerne überlege ich mir lange, was ich sagen will. So ist die schriftliche Kommunikation eher geeignet für mich. Allerdings, meine Handschrift ist sogar für mich mehr oder weniger unleserlich. So wurde das Briefe schreiben nicht nur materiell eine Quälerei für mich. Die Schreibmaschine war, wo möglich, schon eine Erleichterung, aber erst E-Mail brachte die Erlösung. Erst geschäftlich. Dann kam mit dem Internet auch das private E-Mail. D.h. vorher gab es noch Videotex, wo man bereits in Foren herumstöbern konnte. Ich hatte auch ein solches Multitel und nutzte vor allem das Telefonbuch und das E-Banking. Dass das auch für einen Informatiker bei einer Grossbank nicht unbedingt selbstverständlich war, erfuhr ich erst später.
Das Internet wurde immer wichtiger. Aber, von E-Mail abgesehen, für mich in erster Linie als Konsument. Im wörtlichsten Sinne: Bücher, CDs kaufen. Er- und versteigern. Tauschen. Langsam wurde der Netzgebrauch auch aktiver. Recherchieren, beruflich und privat, mal auch per E-Mail Informationen suchen, Newsletters abonnieren. Schliesslich auch eine Stelle suchen. Mit dem Essen, kommt der Appetit und mit der Arbeit an einer Website, kommt bald die Idee, wie es denn wäre, einen eigene Website zu haben. So stiess ich auf die Weblogs. Immer mehr Blogs begann ich zu lesen und schliesslich eröffnete ich meinen eigenen. Eines gab das andere. Facebook, Flickr, Foren, Picasa, Twitter... die Grenze ist dort, wo man sie sich selber setzt.
Verbringe ich jetzt meine ganze Freizeit dem Computer? Es ist eher so, dass es die Fernsehzeit ist, die neu Computer- und eben Web-2.0-Zeit, um den Begriff mal zu benutzen, wurde. Der Reiz zu übertreiben ist natürlich da, aber ich kann den Kulturpessimisten versichern, dass ich nach wie vor auch mal wegen eines Buches zu spät ins Bett gehe.
Die neuen Kommunikationsmittel haben zwei Aspekte. Während Facebook eher meinen schon bestehenden Bekanntenkreis abdeckt, hat das Bloggen einen neuen Kreis eröffnet. Und er bleibt nicht virtuell. Bloggertreffen und Twitterbier sind reale Resultate. Am letzten Samstag gab es sogar zwei Anlässe, die mich per Twitter aus dem Haus locken wollten. Ein Kulturevent auf dem Thuner Rathausplatz und das besagte Laubbläserturnier in Interlaken. Der Kulturkritiker wird es beklagen, ich wählte letzteres.
Wie geht es weiter? Bleiben wir beim Vergleich mit einem Buch. So wie man manchmal ein Buch, das man voller Enthusiasmus zu lesen beginnt, nicht mehr fertig liest oder, wenn doch, enttäuscht zu Seite legt, so gibt es auch diese fantastischen Webtools, die jeder haben will und doch nach kurzer Zeit niemanden mehr interessieren. Dann gibt es aber auch jene Sachen die bleiben. Bücher, die man immer wieder zur Hand nimmt um darin zu schmökern und eben auch die Kommunikationssysteme, welche zum verbreiteten Allgemeingut werden. Man braucht sie mal mehr, mal weniger, aber man bleibt dabei. Ich denke, dass das Blogging so eines ist. Wahrscheinlich bleibe ich dabei, denn es ist eine Art der Kommunikation, die gut zu mir passt. Und ich kann mich dabei auch auf anspruchsvolle Art amüsieren. Nicht zuletzt, wenn ich in einem Blog einen guten Buchtipp bekomme. Was auch immer ich bis zuletzt noch mache, ich hoffe das Lesen gehört dazu!


2 Kommentare:

  1. Gute Gedanken!

    Auch bei mir hat das Bloggen vor allem zu einer TV-Abstinenz geführt.

    Und trotzdem: Ich denke nicht, dass es nur zu einer Verlagerung des Medienkonsums von etwas Bestehendem zu etwas Neuem kommt.

    Als Beispiel sei hier das Handy genannt. Ich habe schon beobachtet, dass fünf Freunde ausgehen und kaum sind sie am Zielort, holt jeder sein Handy hervor und töggelet etwas rein. Das Gleiche findet z. B. im Bus, Tram usw. statt. Das heisst, insgesamt hat der Medienkonsum, wozu ich eben auch Handy inkl. iPhone & Co zähle, schon zugenommen.

    Das kann (muss aber nicht) bei einigen zu neuartigen Stressformen führen und zwar im Sinne von: «Bloss nichts verpassen».

    Ich vermute weiter, dass es bei anderen genau zum Gegenteil führt: Abschalten statt einschalten. Mir geht es selber auch so, indem ich heute viel häufiger z. B. auf eine Combox umleite statt den Kanal offen zu lassen. Das erlaubt dann auch eine Triage: Wer wirklich etwas Wichtiges zu sagen hat, hinterlässt eine Nachricht, die anderen hängen auf... :-)

    Diese letztgenannte Verhalten gefällt den Marketing-Menschen natürlich nicht so besonders, denn sie müssen immer kreativer werden und immer noch «lauter» sein, um gehört, gesehen oder gelesen zu werden. Die leisen Töne gehen dann bei dieser Reizüberflutung unter...

    Das heisst, wer sich heute Gehör verschaffen will, muss laut poltern. Im politischen Umfeld macht genau das eine bestimmte Partei. Müssen nun die anderen auch laut oder nochlauter poltern? Können sie das überhaupt von den Mitteln her? Und was ist mit den Minderheiten, auch im nicht politischen Umfeld?

    Es ist eine nicht ganz ungefährliche Tendenz, welche sich da abzeichnet...

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  2. Danke Titus, für deinen Kommentar. Das Thema "Angst etwas zu verpassen" kenne ich auch. Aber ich glaube das ist eher eine Erscheinung in der Jugend und etwas darüber, vielleicht bis 30. Es kommt dann vielleicht wieder, wenn etwas neu ist. Also in der ersten Phase des Bloggens oder Twitterns. Dann legt sich das wieder. Irgendeinmal ist man auch alt genug zu merken, wie sich Sachen immer wiederholen. Nicht nur die Filme im Fernsehen.

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