Donnerstag, 25. Juni 2009

Die Prozession

Letzten Sonntag habe ich tatsächlich zum ersten Mal eine Prozession erlebt. In... aber das später!
Ich wollte mich um halb acht noch etwas hinlegen, aber da ertönte draussen ein lauter Knall. Zehn Minuten später wieder. Also stand ich auf und ging frühstücken. Dass eine Prozession stattfinden würde, habe ich zwar am Vortag erfahren, dass sie aber von Böllerschüssen begleitet sein würde, wusste ich nicht. Die Hotelliere machte mich darauf aufmerksam, dass ich die Hintertüre benutzen müsse, den vor dem Haupteingang stehe der Altar. Der Altar? Das musste ich mir ansehen. Tatsächlich stand ein Tisch mit weissem Tuch, Kerzen und einen Jesusbild vor der Tür. Ich marschierte zur Kirche hinauf (Dorfkirchen sind immer oben) an weiteren Altären vorbei. Oben sah ich dann auch den Umzug die Prozession. Sie war schon am anderen Dorfende angelangt. Ich ging Richtung Schloss und dort hatten sie auch gerade Halt gemacht. Warum diese Halte erfuhr ich später. 
Ich wartete dort, wo Polizisten die Autofahrer zurück auf die Hauptstrasse schickten. Die Strasse am Schloss vorbei, ursprünglich eine Römerstrasse, ist für Vergnügungsfahrten beliebt.
Endlich ging die Prozession weiter. Zuvorderst zwei Bannerträger. Je eines mit einem Bild von Jesus und Maria. Die Banner, ca. 2x3 Meter, waren sicher schwer und der Wind machte den Bannerträgern arg zu schaffen, auch wenn noch je ein Gehilfe mit zwei oben befestigten Bändern das Ganze zu stabilisieren half. Fluchen darf man bei so einer Aufgabe wohl nicht.
Weiter ging es mit den weissberockten Ministranten, dann die Heiligenfiguren auf ihren Sänften. Streng genommen nur eine: Maria, Maria und Maria. Nach hinten schauend. Erst später wurde mir klar, dass die Figuren auf das Zentrum des Zuges blickten.
Es folgten die Dorfmusik, trommelnd, und der Schützenverein mit Beilen und Flinten bewaffnet. Dann kam eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen und, das besondere, ein Mann mit Lautsprechern auf einer Stange. Daraus erklang ein Sermon. Dann das Zentrum: Der Priester im Ornat, in der Hand eine Monstranz, über ihm der Himmel, also ein Baldachin. Der Bürgermeister hatte schon angekündigt, dass er den Himmel tragen dürfe. Die andere drei, nehme ich an, war wohl auch Gemeinderatsmitglieder. Darauf folgten weiter Leute und ein Mann mit Mikrofon. Er also sprach den Sermon(gebenedeit...), es war kein Tonband, wie ich erst vermutete. Ein weiterer Lautsprecherträger beschallte dann das restliche Volk - dazwischen noch einmal eine Marienfigur, diesmal nach vorne schauend.
Als die Prozession passiert hatte, wanderte ich noch etwas durch den untern Dorfteil und kam gerade im richtigen Moment zum Hotel zurück. Die Schützen und die Musik hatten sich gerade auf dem Platz positioniert und die Ministranten vor dem Altar. Auch der himmlische Würdenträger mit seinen vier würdigen Himmelträgern trat zum Altar und stellte die Monstranz darauf. Die Ministranten sangen ein Loblied auf Jesus und der Priester segnete den Altar. Darauf bat er einen Vertreter und eine Vertreterin der Dorfjugend zum Altar, die dort eine Art Gelübde ablegten. (Nein, nicht Keuschheit, einfach Glauben und so.) 
Schliesslich luden die Schützen ihre Vorderlader und schossen einen Salut. Danach setzte der Zug seinen Weg Richtung Kirche fort.
Ich setzte meinen Weg auch fort, leicht nachdenklich, denn was ich gesehen habe bleibt mir fremd. Zwar bin ich als nüchterner Protestant aufgewachsen, aber mit der Jesus-People-Bewegung habe ich auch auf reformierter Seite genug Menschen gesehen, die ihre religiöse Ueberzeugung plakativ vor sich hertragen. Ich respektiere das, gehe aber auch gleichzeitig auf kritische Distanz. Genauso zurückhaltend bin ich was meine politische Einstellung oder mein Privatleben betrifft. Eigentlich widerspricht mein Blog dem allen. 

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