Montag, 7. Januar 2013

Little Gutmensch

Das Wort "Gutmensch" hört und liest man in letzter Zeit öfters und ebenso die Klage darüber, dass ein an sich positives Wort als Schimpfwort benutzt wird. Ich meide zwar diesen Begriff, kann mich aber auch damit abfinden, dass sich der Sprachgebrauch nicht immer logisch entwickelt. Ein positiver Befund in der Medizin ist ja für den Patienten meist auch nicht positiv.
Vor ein paar Tagen bin ich beim herumzappen wieder mal auf die Comedy-Serie "Little Britain" gestossen. Einer der Sketches handelt jeweils vom behinderten und übergewichtigen Andy und seinem Freund Lou, der alles für ihn tut. Andy ist immer schlecht gelaunt und schickt seinen Freund abwechselnd Eis oder Chips holen. Wenn Lou mit der Sorte zurückkommt, die Andy unbedingt wollte, ist dieser unzufrieden und verlangt etwas anderes. Der Witz ist immer: Sobald Lou ausser Sichtweite ist, steht Andy auf, holt sich selbst etwas zu Essen oder macht irgendetwas anderes. Immer genau dann, wenn Lou zurückkommt, ist Andy wieder in seinem Rollstuhl.
Lou ist eine perfekte Karikatur eines Gutmenschen. Er ist extrem hilfsbereit und ist in seiner Naivität blind dafür, dass Andy ihn betrügt und ausnützt. Andy ist der intelligentere der zwei, denn er sorgt besser für sich selbst, wenn Lou abwesend ist, als dieser es kann. Abhängig ist eigentlich Lou, denn für Andy zu sorgen ist sein ganzer Lebenssinn.
Hier liegt der Kern in der abschätzigen Bedeutung von "Gutmensch": Unkritisches Helfen und halten des Hilfsempfängers in der Abhängigkeit, die eine beidseitige Abhängigkeit ist. Man könnte etwas kühler den Betroffenen vorwerfen, sie litten unter einem Helfersyndrom. Aber das macht es wahrscheinlich auch nicht besser.
Wikipedia über Gutmensch und Little Britain (glücklicherweise mit einem Bild von Lou und Andy).

4 Kommentare:

  1. Sicher gibt es Menschen mit Helfersyndrom. Das Schlimme am Begriff "Gutmensch" ist aber, dass rechtsbürgerliche ihn pauschal für all jene verwenden, die sich für Mitmenschlichkeit gegenüber Benachteiligten einsetzen (sobald es etwas kostet). Damit wird die Mitmenschlichkeit an sich verdächtig gemacht, und das finde ich widerlich. Lieber sind mir in politischen Diskussionen jeweils Argumente als Pauschalisierungen.

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  2. Das was du sagst, ist genau der Grund, warum ich den Begriff nicht verwende. Andererseits will ich - hoffentlich ganz in deinem Sinn - nicht jeden, der diesen Begriff braucht, als rechtsbürgerlichen Widerling abqualifizieren, sondern die Gründe hören, die zu dieser Beurteilung geführt haben.

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  3. Hm... im Einzelfall und auf Einzelpersonen angewendet und im privaten Umfeld würde ich eventuell die Gründe hören wollen, die zu dieser Abqualifizierung geführt haben. Im öffentlichen Raum verwendet betrachte ich das Wort als Beschimpfung - und Beschimpfungen gehören nicht in den öffentlichen Raum. Selber verwenden würde ich ihn niemals.

    Ein Blog ist ein halbprivates Unternehmen, und ich bin halbwegs bereit, für Andy von Little Britain die Bezeichnung "die Karikatur eines Gutmenschen" zu akzeptieren. Aber warum belassen wir es nicht einfach bei "Andy hat ein Helfersyndrom"?

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  4. "Lou (nicht Andy) hat ein Helfersyndrom", darauf können wir uns bestens einigen.

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