Freitag, 24. Juni 2011

Kauft nicht bei....

Das macht mir doch etwas Sorgen: Schweizer Politiker rufen zum Boykott israelischer Produkte auf. Dieser Bericht im Morgenjournal von Radio DRS hat mich aufgeschreckt. Auch in 20min ist ein Artikel dazu erschienen. Mit ein bisschen googeln kann ich feststellen, dass das Thema nicht neu ist und bereits seit Jahren von interessierten Organisationen verfolgt wird, z.B. von BDS. Nun, Interessenverbände sind zu recht einseitig und sollen gemäss ihrer Ausrichtung fordern, was ihnen gerechtfertigt erscheint, darum sind es ja Interessenverbände.
Auch die Mitglieder des Nationalrates sind natürlich Interessenvertreter - Vertreter der Interessen ihrer Wähler! Deren "Kerngeschäft" ist aber, jedenfalls meiner Meinung nach, nicht die Nahostpolitik. Auch nicht bei der linken Wählerschaft, von denen sicher einige in ihrer Jugend einmal in einem Kibbuz waren. Das heisst ja nicht, dass ein ehemaliger Kibbuz-Volontär keine kritische Haltung zu Israel haben kann, aber es dürfte eher eine positiv kritische sein, in der Boykottaufrufe keinen Platz haben.
So rufen nun NR-Mitglieder aus dem linken und grünen Lager zu diesem Boykott auf. Das passt wieder bestens ins von rechtsbürgerlichen Kreisen kolportierte Weltbild vom latenten Antisemitismus der Linken. Zur Zeit mehr in Deutschland, als bei uns, aber es dürfte nicht lange gehen, bis auch die Schweizer Rechte auf diesen Zug aufspringt. So sehr mir solche Polemik auf die Nerven geht, auf eine andere polemische Frage kann auch ich nicht verzichten: Wo waren die Boykottaufrufe von Frau Frösch oder Herrn Hämmerle in Sachen Libyen? Oder bei anderen Staaten, wo es für die einheimischen Kritiker lebensgefährlich ist, sich offen zu äussern? Die Politik der israelischen Regierung wird zuallererst in Israel selbst kritisiert, weil Israel ein freiheitlich demokratischer Staat ist, wie die Schweiz.
Warum ist das für mich jetzt Grund zur Sorge, wo es durchaus schon Boykottaufrufe demokratischer Parlamentarier gegenüber anderen Demokratien gegeben hat? Während des Irak-Krieges wollten US-Abgeordnete französische und deutsche Waren boykottieren und sogar die French Fries umtaufen. Nun, erstens sind das nicht "meine" Abgeordneten und zweitens haben wir uns damals doch lagerübergreifend über die "dummen Amerikaner" lustig gemacht. Aber über jene, die mein politisches Weltbild mehr oder weniger vertreten möchte ich mich nicht lustig machen. Ich möchte, dass sie sich für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit einsetzen - und für Freiheit und Demokratie. Dabei dürfen und sollen sie auch auf Staaten zeigen, wo es in der einen oder anderen Hinsicht im argen ist. Dies aber auf der ganzen Breite und nicht nur dort, wo es gerade Mode und vor allem gefahrlos ist.

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