Sonntag, 31. Oktober 2010

Die SP schafft sich ab

Erinnert sich noch jemand an den 21. April 2002? Es war der zweite Wahlgang der französischen Präsidentenwahlen - die Stichwahl zwischen Jacques Chirac und Jean Marie Le Pen. Es war das grosse Erschrecken, nachdem der Sozialist Lionel Jospin als Dritter ausgeschieden war. Welche Option hatten die Linken jetzt noch? Für die meisten war klar: Mit Widerwillen Chirac wählen. Vor manchen Wahllokalen stellten die Sozialisten Waschstationen auf, wo sich die linken Wähler demonstrativ die Hände wuschen, nachdem sie gewählt hatten. Sie konnten nicht mehr wählen, was sie wollten, aber sie wussten, was sie wählen mussten. Chirac erhielt 82% der Stimmen.
Gut, so extrem stellt sich die Frage bei uns nicht. Aber auch wir - mit wir meine ich die einigermassen links oder zumindest liberal denkenden Menschen - haben in der nächsten Abstimmung die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub. Auch wenn wir denken, dass neue Ausschaffungsgesetze nicht nötig, resp. schädlich sind, stehen wir vor der Tatsache, dass die Initiative der SVP gute Chancen zur Annahme hat.
Ein doppeltes Nein der Linken hat mit grosser Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass die Jas der Rechten der Initiative zum Erfolg verhelfen. 
Nun musste ich mich durch die Berichte (hier von der NZZ) vom SP-Parteitag durchlesen und feststellen, in dieser Partei wird über alles gesprochen, nur nicht über die Realität. Abschaffung der Armee? Geschenkt.  Bedingungsloses Grundeinkommen? Ok, nur ein gutes Realisierungsmodell kenne ich bisher nicht. Ueberwindung des Kapitalismus? Was immer das ist. Und schliesslich die Ausschaffungsinitiative - Nein, das war klar. Aber der Gegenvorschlag? Auch ein Nein, denn man wolle nicht taktisch spielen. Klar, wenn mir auf der Safari ein Raubtier entgegen kommt, werde ich auch keine Haken schlagen, sondern geradlinig fliehen und mit guten Gewissen in seinem Magen landen. Ein hehrer Vorsatz, aber was ist mit der Basis, den Menschen, die wohl bereits die anderen Beschlüsse kaum begriffen haben. Was ist mit deren Sorgen? 
Die Sozialistin und der Sozialist "von der Strasse" sitzt einsam und ohne Argumente am Stammtisch, wo die Polterer der SVP den Ton angeben und fragt sich immer mehr, ob die nicht doch Recht haben. Sie wissen, es werden keine SP-Funktionäre mit dem Waschbecken vor dem Stimmlokal stehen und sie darüber hinweg trösten, das kleinere Uebel gewählt zu haben. Mit schlechtem Gewissen sagen sie Ja zum Gegenvorschlag und im Herzen und bald auch im Kopf Nein zur SP.
Fazit: Traurig, traurig, traurig!

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