Am Mittwoch musste ich erstmals schon morgens mit Jacke aus dem Haus. Die Sonne schien, aber es wehte ein kühler Wind. Ich wollte mir ein paar Quartiere ansehen und begann mit Lichterfelde, weil ich in einem Blog mal eine Schwärmerei darüber gelesen habe. Tatsächlich, ein schöner Bahnhofvorplatz und überall Alleen. Es erinnerte mich an das Thuner Seequartier, nur ohne See und viel grösser. Gleich beim Bahnhof befindet sich interessanterweise die Baseler Strasse. Ob das von einem Namen kommt, oder ob tatsächlich Basel gemeint ist, weiss ich nicht.
Nach so viel Idylle, zog es mich wieder nach Mitte, resp. zum Anhalter Bahnhof. Hier hält seit Kriegsende kein Zug mehr an und der Name hat auch nichts mit anhalten zu tun, sondern er bezieht sich auf die Provinz Anhalt. Da er in Westberlin liegt und die Bahnlinien nach Ostdeutschland führten, verlor er seine Bedeutung.
Ich wanderte von dort zum Checkpoint-Charlie, die Dokumentationsstätte zum Nazi-Terror liess ich aus, Geschichtsunterricht hatte ich in dieser Richtung schon genug. Dann durch die Rudi Dutschke Strasse, wo sich taz-Gebäude und Springer in feindlicher Nachbarschaft gegenüberstehen. Schliesslich kreuz und quer durch Kreuzberg, wo ich eine Rösti-Bar namens Helvetia entdeckte. Ich zog es aber vor in einem indischen Restaurant zu essen - gut und günstig. Als Verdauungsspaziergang ging ich durch den Görlitzpark. Dort standen zwei junge Leute mit Kamera und Mikrofon und interviewten Passanten. Auch mich. Fühlen Sie sich jugendlich? Was mach Jugend aus? Was halten Sie von der heutigen Jugend? Wo das gesendet wird und ob sie mich zeigen, werde ich nie erfahren.
An der Spree angekommen, wollte ich noch eine Skulptur näher anschauen, die im Fluss steht. Sie steht vor einem Bürokomplex in Treptow, der sich - Achtung Wortspiel - Treptower nennt. So sah ich dort nach dem "Walking Man" in München und dem "Hammering Man" in Basel auch die "Molcular Men" in Berlin.
Die Zeit vergeht schneller als man denkt und so musst ich mich beeilen zurück in die Wohnung zu kommen um mich für den Abend frisch zu machen. Das Musical "Hinterm Horizont" begann schon um 19 Uhr. Eine Geschichte um und mit Musik von Udo Lindenberg. Es handelt von einer fiktiven Liebesgeschichte Lindenberg mit einer jungen Frau namens Jessie, über die er ein Lied geschrieben hat, die er bei seinem legendären Konzert in Ost-Berlin kennenlernt. Die Handlung beschreibt vor allem das Leben einer durchschnittlichen DDR-Familie, von Flucht und Verrat und schliesslich vom Fall der Mauer. Die letzte Szene spielt schliesslich in der Gegenwart, wo Jessie Udo schliesslich ihren und seinen Sohn vorstellen kann. Mich hat erstaunt, dass Lindenberg diesem Plot zugestimmt hat, er hat ja keine Kinder - aber vielleicht gerade darum. Wieder ein gelungener Abend.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen