Mittwoch, 7. September 2011

Paradoxovaren

Zu "normalen" Zeiten wäre es wohl niemandem in den Sinn gekommen, Xherdan Shaqiri einen Kosovaren zu nennen. Als Mitglied der Nationalmannschaft ist er ganz klar ein Schweizer Bürger. Mit kosovarischen Wurzeln, aber Schweizer. Auch wenn die Familie Shaqiri beim Rütlischwur noch nicht dabei war.
Aber da gab es eben diese zwei Bluttaten, kurz hintereinander, die von Kosovaren verübt wurden. Die SVP schlachtete die Geschehnisse sofort aus und schalteten ein Inserat, bezogen auf den Ueberfall in Interlaken: "Kosovaren schlitzen Schweizer auf". Zu Recht ging ein Aufschrei durchs Land. Diese Aussage rücke eine ganze Volksgruppe anhand von Einzelfällen in ein schlechtes Licht.
Die SVP zog dieses Inserat - im Gegensatz zu vielen anderen - zurück, der Werbeeffekt war ja geleistet. Die SVP-Gegner machten auch weiter und begannen SVP-Plakate zu verfälschen. Der Fussballmatch vom Dienstag Abend lieferte diese Beschriftung: "Kosovaren retten Schweizer Nati".
Abgesehen davon, dass es ja nur einer war, plötzlich ist Shaqiri wieder ein Kosovare und kein Schweizer mehr. Ausserdem tut man genau das, was man der SVP vorwirft: Man bemüht einen Einzelfall um eine ganze Volksgruppe zu beleuchten. Im positiven Sinn zwar, aber doch mit der gleichen Methode. Den Gegner mit den eigenen Waffen schlagen ist zwar eine beliebte Kampftaktik, macht einen aber unglaubwürdig, wenn man ebendiese Waffen vorgängig verurteilt hat.
Ich habe mich jetzt auch ein bisschen unglaubwürdig gemacht, denn ich habe diese Partei nicht weniger als fünf Mal genannt. Das soll aber die Ausnahme bleiben.

10 Kommentare:

  1. Hi. Du hast schon Recht. Natürlich ist Shaqiri ein Schweizer. Aber eben nur dann, wenn er Tore für die Nati schiesst. Sobald er aber zivil unterwegs ist und ihn niemand erkennt (das ist bei Shaqiri inzwischen vielleicht fiktiv), ist er ein Kosovare. So ist das in der Schweiz. Und die Mehrheit der (eventuell inzwischen eingebürgerten) Ausländer ist nicht so prominent. Und dann sind sie (selbst mit eine CH-Pass) in der Wahrnehmung der meisten Schweizer eben Ausländer.

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  2. Meine Schweizerisch-Kosovarischen Freunde (Doppelpässler, like me) finden das Plakat übrigens prima. Eine Staatsbürgerschaft ist ja nur eine.

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  3. Die Befürworter dieser destruktiven, saublöden SVP Kampagne verstehen nur Plakatives und Populistisches.
    Deswegen verstehen 90% der Wähler der Blocher-Oligarchie nicht um was es der SVP wirklich geht. Nämlich der unbeschränkten Macht im Staate!

    Mindestens aber können sich einige von ihnen eine Sekunde lang über die Aktion zum SVP Plakateverhunztexten aufregen. Der Eine oder Andere kommt dann vielleicht ins grübeln. Dass die dabei ihre Wahlzettel ändern bleibt aber eine Illusion.

    So gesehen ist es auch ein Zeichen an die SVP, dass es viele Menschen gibt, die sich nicht mit ihnen solidarisieren. Denn immernoch ist die Mehrheit der echten Schweizer keine SVP Soldaten.

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  4. @anonym Ich denke, zumindest wir Deutschschweizer, identifizieren unsere Landsleute nach der Sprache. Da ich keine Sportsendungen schaue, weiss ich nicht, wie Shaqiri spricht.
    @mats Zumindest diese Plakat ist schon gut. Aber es zementiert in meinen Augen eher die Clichés.
    @dan Noch wählen über 70% andere Parteien. Das Verhunztexten erzeugt meiner Meinung nach bei den Verantwortlichen eher Befriedigung und beim Parteivolk nur Trotz.

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  5. Er sagt ja, er fühlt sich auch als Kosovare. Sich als Schweizer zu fühlen wäre ihm wahrscheinlich etwas peinlich und nicht so cool. Es wird angeprangert, von 'denen' zu sprechen, aber dann akzeptiet man plötzlich doch wieder ein 'wir', die ohne Einwanderung alt aussehen würden. Das Plakat zielt jetzt halt in die andere Richtung, da ist es wieder erlaubt. Wenn man zum Beispiel italienische Wurzeln hat aber Schweizer ist, erwähnt man, dass man zwar Schweizer ist, aber als Italiener erzogen wurde. Einfach, damit mal klar ist, dass es halt schon Unterschiede zwischen Schweizerpassinhaber gibt. Dann sind solche Bemerkungen völlig ok. Dass so ein Land wie die Schweiz, überhaupt erst die Gelegenheit für solche Karrieren wie die von Shaqiris bietet, ist dann nur noch nebensächlich. 'Wir' sind ja auf 'sie' angewiesen. Er kann diese Karriere sicher auch im Kosovo oder Ghana machen, denn 'sie' sind auf 'uns' ja nicht angewiesen, nur 'wir' sehen alt aus. Hehe!

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  6. "Alle SVP-Mitglieder sind dumm."

    So,
    -nun habe ich die Bloggerschweiz provoziert
    -habe Einzelfälle verallgemeinert
    -und bin aufgefallen

    Mann, lerne ich von der SVP schnell...

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  7. @Anonym(9.Sep): Versuch mal, Dich nicht so aufzuregen, sonst versteht man nicht, was Du sagen willst.

    Man kann wohl davon ausgehen, dass Menschen mit zwei Pässen wechselnde und doppelte Identifikation mit dem einen oder anderen Land haben, oder mit beiden. Und das ist sehr gesund, weil diese Menschen nicht versucht sind, auf dumme und plumpe Stereotype hereinzufallen (und z.B. dem Ideal eines echten Schweizers oder einer richtigen Italienerin etc. gemäss Vorgabe von Blochers oder Berlusconis u.a. nachzuleben), sondern immer eine Differenz zwischen dem eigenen Leben und den Stereotypen erleben, schmerzhaft manchmal, aber befreiend insgesamt.
    Und vor diesem Hintergrund kann es zu paradox daherkommenden Eindrücken kommen, weil "die Kosovaren" und "wir Schweizer" plötzlich in der persönlichen Identität dieses Menschen verschmelzen. Das macht aber letztlich wohl nur die Hinfälligkeit der Stereotypen deutlich.

    Andere Frage: Ist allen jemals Eingewanderten jegliche Kritik verboten und ewige Dankbarkeit für die Gnade der Einwanderung geboten? Nein, wohl nicht. In einem Rechtsstaat ist Einwanderung keine Gnade, sondern ein Recht, für dessen Erhaltung sogar Einwanderer kämpfen dürfen.

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  8. Kritik üben dürfen und sollen alle. Aber auch nach allen Richtungen, inkl. Selbstkritik.

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  9. Salomonisch, salomonisch!

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