Montag, 16. Januar 2012

Tinus Wege (II)

Den berühmten ersten Schultag verbrachte ich in der Quarantänestation des Kinderspitals. Hirnhautentzündung und, als Supplement, Bauchspeicheldrüsenentzündung machten dies notwendig. Ich hatte Glück im Unglück, denn ein gleichaltriger Leidensgenosse war im selben Zimmer. So hatten wir es lustig miteinander und winkten fröhlich unseren Eltern hinter der Scheibe zu, wenn sie uns besuchten. Mit etwa einem Monat Verspätung, lernte ich diesen Schulhof und das dazugehörige Schulhaus an der Plänkestrasse kennen.
Schulhof Plänke
Ok, kein besonders schöner Ort, aber eine schöne Zeit mit Rechnen und Lesen lernen mit Fräulein (!) Thierstein. Mein Schulweg führte mich von unserem Block unter der Bahnlinie nach Neuenburg hindurch, dann dem Schüsskanal entlang und am Amtshaus vorbei. Hier konnte ich bereits meine spätere erste Wohnung und das Gymnasium sehen. Davon wusste ich aber damals noch nichts, wie es mir auch nicht bewusst war, dass ich am Rande des Stadtzentrums wohnte, zwischen See und Bahnhof und dass mich eigentlich jeder Gang zur Schule bereits zu dem machte, was ich auch heute noch bin: Ein Städter.
Meine Spielplätze waren die Strassen, die Hinterhöfe, die Parks oder auch die Rangiergeleise hinter dem Bahnhof. Dort, wo jetzt ein Altersresidenz steht. So treffen sich Vergangenheit und Zukunft.
Eine Zukunft, die noch weit war, als mein Vater sein Coiffeurgeschäft aufgab. Er fand eine Stelle bei der Stadt und wir suchten und fanden eine kleinere Wohnung. Ich war neun und hatte ein neues Quartier zu erforschen. Dank Trottinett wurde mein Aktionsbereich grösser. Aber zum herumtollen brauchte ich nicht weit zu fahren, denn gleich gegenüber unserer neuen Wohnung war die Gewerbeschule und davor eine grosse Wiese. Und am Dienstag bekam ich jeweils fünfzig Rappen mit denen ich zu diesem Kiosk pilgerte. Ja, es gibt ihn noch:

Quartier
Heute ein Imbisstand für die Berufsschüler - die Gewerbeschule heisst heute Berufsbildungszentrum - früher aber ein Zeitungskiosk, wo ich mein Micky-Maus-Heftchen kaufte. A propos Gewerbeschule: Gleich bei unserem Block stand ein Pavillon, was ein beschönigender Begriff für ein Provisorium ist, wo die Kunstgewerbeschüler ihre Ateliers hatten. Wir neugierigen Kinder gingen einfach hinein und schauten ihnen beim arbeiten zu und keiner verjagte uns.
Ich ging natürlich auch zur Schule. Ein Schulhaus mit einem viel versprechenden Namen: Champagne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen